Die Gründung des Turnvereins Hüttigweiler

Am 16. Juni 1900 versammelten sich 29 junge Bergmannssöhne im Lokal Bermann, dem späteren Gasthaus Woll in der Provinzialstraße 82 (heute abgerissen), um den Turnverein Hüttigweiler ins Leben zu rufen. Dieser Tag gilt als der erste offiziell bekannte Termin der Vereinsgründung. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Initiatoren Johann Sahner, Karl Kuhn sen., Nikolaus Quint, Johann Bermann, Peter Dörrenbächer, Alois Niklas und Wendel Quint bereits zuvor mehrfach zusammengekommen waren, um die Gründung vorzubereiten. Die Liste der Namen ist möglicherweise nicht vollständig, da schriftliche Unterlagen fehlen und Erinnerungen mitunter ungenau oder fehlerhaft sein könnten.
Entscheidend für den Erfolg der Gründung war die Unterstützung des Turnvereins Michelsberg aus Wemmetsweiler. Dessen Gründer und Vorsitzender Friedrich Licht half den noch unerfahrenen Turnern aus Hüttigweiler tatkräftig und wurde später dafür zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt. In der Gründungsversammlung wurden vorläufige Statuten beschlossen und der erste Vorstand gewählt: Nicolaus Gilges wurde Präsident, Peter König Vizepräsident, Johann Sahner Turnwart, Nikolaus Quint Schriftwart, Johann Bermann Kassenwart und Johann Bach Zeugwart. Am 27. August 1900 legte der Verein seine endgültigen Statuten der Polizeiverwaltung vor, die diese am 30. August genehmigte. Der Turnverein schloss sich dem Bliesgau an und nahm den Turnbetrieb so weit wie möglich auf. Der Start war mühsam: Geld war knapp, Geräte fehlten, und die Bedingungen waren schwierig. Doch eines fehlte nicht – der eiserne Wille, den Verein mit Leben zu füllen und im Sinne Friedrich Ludwig Jahns Geist und Körper zu stärken. So begann der Turnbetrieb.
Trotz aller Widrigkeiten gelang es den Turnern, in kurzer Zeit die nötigen Geräte zu beschaffen und einen sinnvollen Übungsbetrieb aufzubauen. Bereits 1903 nahm der Verein am Gaufest in Bildstock teil. Eine achtköpfige Riege erturnte am Reck den zweiten Preis in der dritten Klasse – ein großartiger Erfolg unter der Leitung von Turnwart Karl Kuhn, der zugleich Ansporn war, die Leistungen weiter zu steigern.
 
Die Mitgliederzahl wuchs stetig, insbesondere die der aktiven Turner. Bald konnte eine Auswahl getroffen werden, und Jugendturner sowie „Zöglinge“ – Schüler bis 14 Jahre, Zöglinge von 14 bis 17 und Jugendliche von 17 bis 21 – wurden ausgebildet. Turnfeste wurden fortan selten ausgelassen, um Wettkampferfahrung zu sammeln. Am 9. September 1906 beschloss die Mitgliederversammlung, sich um das Volkstümliche Gauturnfest 1907 zu bewerben und dieses mit der Fahnenweihe des Vereins zu verbinden. Leider fehlen hierzu weitere Unterlagen. Mündlich überliefert ist lediglich, dass die Fahne nach dem Zweiten Weltkrieg so verschlissen war, dass sie nicht mehr restauriert werden konnte und ersetzt werden musste. Am 9. Mai 1909 wurde der Besuch des Gauturnfests in Ottweiler am 27. Juni beschlossen. Der Verein nahm mit einer neunköpfigen Riege am Reck- und Ringturnen sowie mit einer sechzehnköpfigen Riege bei Freiübungen mit Stab teil. Auch für das Turnfest in Illingen am 13. Juni 1909 wurde die Teilnahme zugesagt.
Im Jahr 1910 lösten sich einige Vereine aus dem Bliesgau und gründeten den Illtalgau, dem sich der TV Hüttigweiler neben Vereinen wie TV Hosterhof, TV Humes, TV Illingen, TV Michelsberg, TV Wahlschied und TG Wemmetsweiler anschloss. Der Versuch, als Illtalgau in die Deutsche Turnerschaft aufgenommen zu werden, scheiterte jedoch an den Mindestanforderungen hinsichtlich Mitgliederzahl und Vereinsanzahl. Dennoch setzte der Turnbetrieb uneingeschränkt fort, auch wenn der Illtalgau fortan als „schwarzer Gau“ bezeichnet wurde.
Der Turnverein Hüttigweiler erlebte in dieser Zeit einen enormen Aufschwung und wurde bald zum führenden Verein im Illtalgau. Ehrgeiz und Idealismus trugen Früchte: Bei fast allen Veranstaltungen stellte Hüttigweiler die meisten und besten Turner. Zu den Spitzenturnern und tragenden Säulen des Vereins zählten Wilhelm Fiellbrück, Mathias Köbrich, Friedrich König, Jakob König, Karl Kuhn, Friedrich Niklas, Wendel Quint, Jacob Weyrich und Nikolaus Zimmer. Die Turnfeste in Illingen, Wemmetsweiler, Hosterhof, Hüttigweiler, Humes und Wahlschied blieben unvergesslich, da die ersten Preise meist an Hüttigweiler gingen.
 
Finanzielle Mittel waren jedoch stets knapp, da Mitgliedsbeiträge den Bedarf nicht decken konnten. So wurden Feste organisiert, um die Kasse aufzubessern: Der Geburtstag des Kaisers wurde gebührend gefeiert, Bälle abgehalten und gelegentlich ein Fass Bier mit einem Hoch auf seine Majestät angestochen. Der jährliche Rekrutenball bot eine weitere Einnahmequelle – Rekruten, die nicht in Uniform erschienen, zahlten Strafgeld. Auch turnerische Veranstaltungen wie Schauturnen trugen bescheiden zur Haushaltsaufstockung bei.
Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 1. August 1914 wurde der Verein zu einer unfreiwilligen Pause gezwungen, die viel zu lange andauerte und Trauer über den Verlust von 14 Turnern brachte, die in fremder Erde ruhen. Nach Kriegsende am 11. November 1918 wurde das Saargebiet von französischen Truppen besetzt und verwaltet. Turnvereine wurden sofort verboten, doch nach dem Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919 lockerte eine eigene Regierungskommission dieses Verbot. Im August 1919 konnte der Turnbetrieb nach fünfjähriger Zwangspause wieder aufgenommen werden.
 
 

Der Neubeginn

Am 17. August 1919 beschloss die Mitgliederversammlung, den alten Vorstand bis Jahresende im Amt zu belassen. Trotz der schmerzlichen Kriegserfahrungen hielten die Turner an ihren Idealen fest. Am 25. Januar 1920 fand die erste Generalversammlung mit Vorstandswahlen statt. Der neue Vorstand setzte sich zusammen aus Andreas Sahner (1. Vorsitzender), Johann Kuhn (2. Vorsitzender), Jakob Zimmer (1. Schriftführer), Peter Schmidt (2. Schriftführer), Peter Zimmer (Kassenwart), Nikolaus Zimmer (1. Turnwart), Mathias Köbrich (2. Turnwart), Nikolaus Lermen und Konrad Andler (Beisitzer) sowie Peter Schmidt (Zeugwart). 
 
Am 10. Oktober 1920 wurde das Vereinslokal vom Gasthaus Peter Schmidt zum Gasthaus Peter Scharding gewechselt, ohne dass die Gründe dafür dokumentiert sind. In der Generalversammlung am 6. Januar 1921 übernahm Nikolaus Andler den Vorsitz, Wendel Quint wurde 2. Vorsitzender, während die übrigen Vorstandsmitglieder bestätigt wurden. Es wurde beschlossen, das Volkstümliche Turnfest des Illtalgaus zu beantragen oder alternativ ein 20-jähriges Stiftungsfest zu feiern. Zudem plante man ein Schauturnen am Ostermontag und empfahl den Mitgliedern, Turnmützen anzuschaffen – eine kostengünstige Alternative zu einheitlicher Kleidung. Das Schauturnen am Ostermontag wurde groß angelegt, um die Turnbewegung zu präsentieren und den Verein zu bewerben. Um 15 Uhr begann ein Festzug vom Lokal Peter Schmidt durch den Ort zum Lokal Peter Scharding, begleitet von Musik. Schüler mit Fähnchen führten den Zug an, gefolgt von Turnern mit Blitzstäben, Keulen und Kränzen, Turnerinnen, Gästen und weiteren Mitgliedern. Das Programm wurde zügig abgewickelt und mit einem Turnerball abgeschlossen. Das Volkstümliche Gauturnfest wurde dem Verein zugesprochen und für den 21. August 1921 geplant. Vorbereitungen begannen am 16. April und wurden am 6. Juni fortgesetzt. Eintrittspreise wurden festgelegt: 4 Mark für Turner über 17, 2 Mark für Zöglinge, Schüler frei, 5 Mark für Privatpersonen und 3 Mark für das Wetturnen am Morgen. Der Eintritt zum Kommers war frei, Programme kosteten 1 Mark, und eine Tellersammlung deckte die Unkosten. Am 31. Juli 1921 zeigte der Kassenabschluss einen Reingewinn von 2.905 Mark. Vermutlich wurde das Fest in den Juli vorverlegt, da die Geldentwertung bereits spürbar war. Am 8. Oktober 1922 passte man Beiträge der Inflation an: 5 Mark für Schüler und Zöglinge bis 16, 10 Mark für übrige Turner, 20 Mark Strafe für versäumte Versammlungen. Bald darauf, am 1. Januar 1923, wurden die Beiträge erneut erhöht – auf 50 Mark für aktive Turner und 10 Mark für unter 16-Jährige. Turner, die dreimal fehlten, zahlten 50 Mark Strafe oder wurden ausgeschlossen.
Am 9. Dezember 1923 legte Kassenwart Johann Kuhn einen Bericht vor: Der Kassenbestand betrug 28.452,20 Mark und 54,15 Franken. Die Einführung der Frankenwährung stabilisierte die Finanzen. Die Versammlung beschloss ein Schauturnen zugunsten der Kirche und wählte Josef Kraus einstimmig zum 1. Vorsitzenden; der übrige Vorstand blieb unverändert. Ein Antrag, ein Fass Bier zu trinken, fand allgemeine Zustimmung. Die sportliche Betätigung blieb auf den Illtalgau beschränkt, da eine Anerkennung durch die Deutsche Turnerschaft ausblieb. Nachdem 1919 der TV Illingen zum Bliesgau zurückkehrte und andere Vereine wechselten, löste sich der Illtalgau 1925 auf, und die Vereine schlossen sich wieder dem Bliesgau an. Am 28. Dezember 1924 wurde der Vorstand größtenteils wiedergewählt, mit Karl Kuhn als 1. Turnwart, Jakob Weyrich als 2. Turnwart, Albert Schäfer als Jugendwart und Otto Weiskircher sowie Fritz Kessler als Vorturner. Ein Familienabend fand am 6. Januar statt, musikalisch begleitet von einem Klavierspieler und einem Geiger.
 
Vermutlich auf Antrag von Josef Kraus beschloss man, den gefallenen Turnern eine Gedenktafel zu widmen. Jakob Zimmer entwarf sie, Schreinermeister Karl Scherer und Malermeister Heinrich Schmidt fertigten sie für 1.255 Franken, die durch eine zweimonatige Umlage von 3 Franken finanziert wurden. Die Einweihung erfolgte am 19. September 1925 mit Ehrengästen wie Vorsteher Ritter, Pfarrer Dr. Maxein und Gauvorsitzendem Büttner. Die Feier begann mit einem Kirchgang, gefolgt von einem Festzug und einem Programm mit Chorälen, Reden, Theater und Gesang. Die Tafel fand ihren Platz im Vereinslokal und wurde am Volkstrauertag mit Blumen geschmückt. Am 21. Juni 1925 nahm der Verein an der Jahrtausendfeier der Rheinlande teil, trotz Verbots für Beamte und Schulen. Josef Kraus, Maschinensteiger bei den Saargruben, hielt eine patriotische Rede, wurde entlassen und des Landes verwiesen. Er zog vorübergehend nach Gelsenkirchen, kehrte jedoch bald zurück. Am 6. Januar 1926 wurde er erneut Vorsitzender, Johann Zimmer sein Stellvertreter. Das Gauturnfest in Wemmetsweiler am 11. Juli 1926 sah eine vollzählige Teilnahme mit Knüppelkapelle. Am 25. Juli 1926 verstarb Josef Kraus und wurde unter großer Anteilnahme beigesetzt.
 
Am 6. Januar 1927 übernahm Johann Zimmer den Vorsitz, Andreas Sahner wurde 2. Vorsitzender. Ein Familienabend mit Theater und Turnübungen sowie eine Beitragserhöhung auf 2 Franken wurden beschlossen. Am 15. Mai 1927 plante man die Teilnahme an der Götzwanderung mit Musik und die Wiederbelebung des Volksturnens unter Fritz Kessler. Eine Schwimmabteilung wurde abgelehnt, eine Theaterabteilung jedoch gegründet, mit Jakob Weyrich als Spielleiter. Am 7. August 1927 beschloss man eine Damenriege, die am 11. September unter Nikolaus Zimmer startete – zunächst beitragsfrei, später auf ein Jahr begrenzt. Für das Deutsche Turnfest in Köln wurde eine Extrakasse eingerichtet. Ein Herbstabturnen mit Ball folgte am 2. Oktober 1927. Am 15. Januar 1928 plante man ein Schauturnen und einen karnevalistischen Abend, der die Fastnachtstradition bis 1997 begründete. Das Deutsche Turnfest in Köln 1928 war ein Höhepunkt: Elf Hüttigweiler Turner nahmen am Barren teil und kehrten stolz zurück. 1929 fand ein Gerätewettkampf mit Nachbarvereinen statt, 1930 wurden Jugendturner unterstützt und das 30-jährige Jubiläum gefeiert, mit Ehrungen für langjährige Mitglieder. 
 
Am 15. Juni 1931 plante man das Gauturnfest in St. Wendel mit Musikbegleitung. Am 22. Mai 1933 trat der Vorstand zurück, und Nikolaus Zimmer wurde Vereinsvertreter im Sinne der neuen DT-Richtlinien. Am 28. Mai ernannte Gauleiter Heinrich Thiel ihn zum 1. Vereinsführer, weitere Vorstandsmitglieder wurden bestimmt. 1933 legte Zimmer sein Amt nieder, Peter König übernahm vorübergehend und wurde 1938 dauerhaft 1. Vereinsführer – bis zu seiner Einberufung 1942, als der Turnbetrieb endete. Peter König starb 1944 an Kriegsverletzungen.
 
 

Der Neubeginn nach 1945

Nach Kriegsende am 8. Mai 1945 übernahmen alliierte Truppen das Saargebiet. Die Direktive Nr. 23 vom 17. Dezember 1945 verbot bestehenden Sportorganisationen jede Betätigung und verfügte ihre Auflösung zum 1. Januar 1946. Der Neustart war schwierig, da die prodeutsche Haltung der Turner vor 1935 misstrauisch beäugt wurde. Nur örtliche, nicht-militärische Sportgruppen waren erlaubt, mit Fokus auf Jugend und Gesundheit.
Bernhard Eckert, ein talentierter Geräteturner, der schon früh im Verein aktiv war, überlebte den Krieg und kehrte 1945 zurück. Trotz des Sportverbots suchte er Wege, den Turnbetrieb wiederzubeleben. Die Verfügung vom 13. Februar 1946 erlaubte Sport nur in Omnisportvereinen, Geräteturnen blieb untersagt, doch Leibesübungen am Gerät waren möglich. Ab Juli 1946 war Geräteturnen im Freien erlaubt, und die Hüttigweiler Turner nahmen dies zum Anlass, wieder aktiv zu werden. Eckerts Einsatz und die Unterstützung des französischen Kommandanten Lindener trugen wesentlich dazu bei. 1947 fanden erste Wettkämpfe statt, 1948 wurde Geräteturnen in Hallen wieder erlaubt. 1949 gründete sich der VfB Hüttigweiler als Omnisportverein, doch die Selbstständigkeit der Abteilungen wurde 1950 durch Gesetzesänderung wiederhergestellt. Am 25. März 1950 turnte Bernhard Eckert im Landervergleich gegen Frankreich, und am 24./25. Juni feierte der Verein sein 50-jähriges Jubiläum mit einem Gauturnfest. Trotz Regens und improvisierter Lösungen – wie einer selbstgebauten Ersatzfahne – wurde das Fest ein Erfolg, auch wenn der zweite Tag buchstäblich ins Wasser fiel.

 

 
 
 

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